
Voll im Rausch!
Jeder kennt Mohn, den klassischen Klatschmohn – sommers allerorts tupft er kräftigrot den Wegesrand, oder besser noch, durchsetzt munter wogende Getreidefelder. Erst recht optisch unwiderstehlich ist ein ganzes Feld mit rotem Mohn, soweit das Auge reicht. Ein noch intensiverer Anblick sind allerdings Schlafmohnfelder – ein weiter Acker voll Papaver somniferum verursacht schiere Verzückung. Die Sorte Mieszko zaubert rosarote bis weiße Blütenteppiche, eher dunkler und violett leuchten die Varianten Zeno Morphex und Viola. In den Ländern Indien, Afghanistan, Pakistan, Iran und der Ägäis-Region gehören Schlafmohnfelder zum gewohnten Landschaftsbild; hierzulande ist der Anbau verboten. Aus gutem Grund: Die Pflanze ist Quelle des Opiums.
Der getrocknete Milchsaft, den eine angeritzte, unreife Samenkapsel absondert, ergibt eine bräunliche Masse, das Opium. Es enthält als natürliche Stoffe zum Beispiel die Opiate Morphin, ein Schmerzmittel, sowie Codein, ein Hustenstiller. Schlafmohn ist eine Arznei- und Heilpflanze, zugleich aber auch eine Giftpflanze. Durch chemische Veränderung der Opiate lässt sich allerhand Unfug treiben – zum Beispiel die Herstellung von Heroin, das viel stärker als Morphin wirkt und ins Verderben führt; was als Stimmungshöhenflug beginnt, endet im tiefsten Abgrund.
Opium entfaltet eine überwältigende Wirkung auf das Nervensystem, es wirkt entspannend, betäubend, baut Stress ab, macht euphorisch heiter, verursacht visionäre und traumartige Erlebnisse. Diese psychotrope Wirkung bedeutet zunächst rauschhaften Genuss – aber Achtung: Die Manipulation seelischen Befindens macht süchtig. Seit jeher ist Opium ein Rauschmittel, das in der breiten Gesellschaft als gängiges Mittel zur Linderung von Trauer und Angst eingesetzt wurde oder um das Einschlafen zu erleichtern. Bilder von opiumrauchenden Männerrunden sind bekannt. Doch wer den Verlockungen dieser Droge erliegt, ist dem Tode schon anheimgegeben. Leider weiß ein weltweit verzweigtes und hochverbrecherisches Netz von Kriminellen das Abhängigkeitspotenzial zu nutzen.
Gut also, dass hierzulande der Anbau verboten ist. Nicht eine einzelne Pflanze darf im Garten stehen; es ist illegal und strafbar. Eine Aussaat, selbstredend begrenzt und nur für ein harmloses Beet gedacht, ist genehmigungspflichtig. Gleichwohl ist und bleibt der Schlafmohn ein berauschend schöner Augenschmaus. Gucken ist erlaubt. Und man kann sich nicht sattsehen an diesem Farbrausch. An den hauchzarten, vollendet gefalteten Plissees, ganz transparent im hohen Licht um Johanni. Nur selten sind das Werden und Vergehen, die Geburt und das Ende, so nah beieinander auf einem Bild einzufangen. Dabei bedeutet das Abblühen der einjährigen Pflanze im August keinen Schluss – der prächtige Fruchtstand, diese kinderfaustgroßen Samenkelche, geben das Leben weiter. Als schmackhafte, nussige Beigaben zum Backen und Kochen oder für einen neuen Zyklus im nächsten Jahr. Ein Tag inmitten von Schlafmohnfeldern ist Opium für die Augen, es ist eine wohltuende Manipulation seelischen Befindens. Das Fotoprojekt Schlafmohn macht süchtig!