LOADING

Monumentales Pio­nierobjekt

Zum hundertsten Todestag Rudolf Steiners in diesem Jahr richtet sich das Interesse in besonderem Maße auf die gesetzten Impulse der Anthroposophie, die Steiner einst als Erkenntnisweg begründet hat. Steiner sah in der materialistisch verengten Sichtweise in Wissenschaft und Kultur eine große Gefahr und initiierte eine neue, gesamtheitliche Perspektive: Leib, Seele und Geist seien eine untrennbare Einheit. Steiner wollte in der Zeit nach 1900, als diverse Reformbewegungen Leben und Gesellschaft neu inspirierten und seine Anthroposophische Gesellschaft schließlich gegründet war, einen Ort für Forschung, Lehre und Kommunikation schaffen. So entstand 1913 das Erste Goetheanum auf dem Dornacher Hügel, flankiert von etlichen Wohn- und Zweckbauten, ebenfalls von Steiner entworfen. Hier auf dem Gelände des Goetheanums, damals ein eindrucksvoller Doppelkuppelbau, etablierte sich eine Anthroposophen- und Künstlerkolonie als Kern eines neuen Geistes. Es wurde zum Beispiel die biologisch-dynamische Landwirtschaft begründet, es entstanden die ersten Waldorfschulen, und in der Medizin reifte eine neue Herangehensweise zur Heilung. Die Marke WELEDA entstand. Indes blieben die bislang ungewohnten Kultur- und Lebensimpulse nicht ohne Kritik und Gegnerschaft: Es folgte die Zerstörung des hölzernen Bauwerks durch Brandstiftung.

Steiner beharrte auf seinem Ziel, der Anthroposophischen Gesellschaft, die die Erkenntnis des Geistes mittlerweile in viele Nationen weltweit trug, ein gemeinsames Dach zu geben. Er konzipierte an selber Stelle ein neues Goetheanum aus Beton – eine Weltneuheit mit kunstvoll geformter Sichtbetonfassade. Steiner war angetan von der freien Formbarkeit des Baustoffs – und auch von dessen Widerstandsfähigkeit gegen Feuer. Die Fertigstellung dieses monumentalen Neubaus im Jahr 1928 erlebte der Gründer allerdings persönlich nicht mehr. Das global einmalige Bauwerk nach dem Metamorphose-Prinzip fasziniert als markanter, imposanter Gesamtorganismus. Rundungen und plastische Freiheit statt Ecken und Kanten. Die aufwendigen Schalungen entstanden vor Ort in der Anthroposophen-Schreinerei durch den Zimmermann Heinrich Liedvogel, der seine Schiffbauerfahrung nutzte – dieser Mann leistete eine außergewöhnliche Pionierarbeit. Weitläufig und schwungvoll, innen wie außen schier unfassbar, eingebettet in einen großzügigen, biologisch-dynamisch bewirtschafteten Gartenpark. Das Goetheanum ist sowohl Sitz der Allgemeinen Anthroposophischen Gesellschaft, die weltweit wirkt, als auch der Freien Hochschule für Geisteswissenschaft. In jedem Jahr kommen tausende Menschen aus der ganzen Welt zu Tagungen und Veranstaltungen auf den Dornacher Hügel – und eben auch solche, die die außergewöhnliche Architektur des Goetheanums und seiner Nebengebäude bestaunen und fotografieren.